Gestern war noch alles in Ordnung, plötzlich werden Türen geknallt, es wird geschrien, gebockt und alles ist nur noch doof. Ist das schon die Pubertät?
Frühepubertät: Durch Hormonchaos zum Gefühlszombie
Hormonelle Schwankungen gehören zur natürlichen Entwicklung genauso dazu wie Wachstumsschübe und der Zahnwechsel. Sie kommen meist unverhofft und mit voller Wucht. Es beginnt bereits im frühen Kindesalter, wenn das ausgeglichene Baby zum wütenden Zwerg mutiert. Den ersten hormonellen Umschwung erlebt der Körper zwischen dem 2 und 3. Lebensjahr. In dieser Zeit entdecken die Kleinen nicht nur ihren eigenen Willen, sondern auch der Körper reagiert auf eindrucksvolle Weise auf diese Veränderungen und lässt Eltern an ihre erzieherischen Grenzen kommen. Abgelöst wird die Autonomiephase durch die Zahnlückenpubertät.
Erneut steht die kindliche Welt Kopf und alles hört nur noch auf die Hormone. Doch das alles ist nur ein Vorgeschmack zu dem, was da noch kommen mag.
Pubertät beginnt immer früher
Immer früher setzt die Pubertät bei Jugendlichen ein. Zum einen begünstigen unsere Lebensverhältnisse den Verlauf der Geschlechtsreife. Wohlgenährt, sicher und behütet weiß mittlerweile auch der menschliche Körper, dass die richtigen Voraussetzungen für eine zeitige Geschlechterreifung gegeben sind. Doch die Hauptschuld tragen die Hormone. Im Alter zwischen 8 und 9 Jahren Beginnen die ersten Veränderungen die sich sowohl körperlich als auch im Verhalten bemerkbar machen. Hauptaufgabe hat hierbei die Hirnhangdrüse. Sie gibt den Startschuss und sendet hormonelle Signale an den Körper aus.
In bestimmten Organen beginnt die Produktion von Geschlechtshormonen, die über das Blut durch den gesamten Körper getragen werden. Bei Jungs ist dies vorrangig Testosteron, bei Mädchen Östrogen. Geschlechtstypische Merkmale bilden sich aus. Bei den Mädchen beginnt das Brustwachstum, bei Jungen verlängert sich der Penis und die Hoden bilden sich weiter aus. Die Körperbehaarung an den Geschlechtsorganen beginnt, bei Jungen setzt der Bartwuchs ein.
- Pubertät beim Mädchen
In der Regel beginnt die Pubertät bei Mädchen etwas früher. Im Alter von 10 bis 18 Jahren durchlaufen Mädchen die verschiedenen Etappen der Pubertät.
- Pubertät beim Jungen
Jungen beginnen zeitlich etwas später mit dem pubertieren. Sie durchlaufen diese Lebensphase zwischen dem 12. bis zum 21. Lebensjahr.
Frühepubertät – Fluch oder Segen?
Setzt die klassische Geschlechtsreifung vor dem 9. Lebensjahr beim Jungen und vor dem 8. Lebensjahr beim Mädchen ein, handelt es sich um eine verfrühte Pubertät. Die genauen Ursachen sind bislang nicht bekannt. Symptome, die auf einen verführten Beginn der Geschlechtsreifung hinweisen, sind zum Beispiel:
- Frühzeitige Entwicklung von Scham- und Achselbehaarung
- Beginn des Brustwachstums
- Einsetzende Periode bei Mädchen
- Verlängerung des Penis und Entwicklung der Hoden
Dabei wird zwischen drei Formen von früher Pubertät unterschieden.
Zentral ausgelöste verfrühte Pubertät
Bei dieser Form sendet die Hirnhangdrüse verführt Geschlechtshormone aus, die für das einsetzten der Pubertät verantwortlich sind. Sie verläuft wie die normal einsetzende Pubertät und bringt dieselbe Symptomatik hervor, nur dass diese früher als erwartet einsetzt. Bei Mädchen kommt es 5 bis 10-mal häufiger zu einer zentral ausgelösten verfrühten Pubertät. Der Unterschied zur normalen Pubertät ist hier das Körperwachstum. Bei der verführten Pubertät kommt es zu einem sehr schnellen Körperwachstum, das schneller wieder endet. Als Folge dessen werden diese Kinder zu kleineren Erwachsenen.
Auch hier sind die genauen Ursachen, die zu einer verführten Pubertät führen, nicht klar bekannt. In einigen Fällen können Erkrankungen wie Tumore oder andere Anomalien im Bereich der Hirnhangdrüse oder des Hypothalamus als Auslöser identifiziert werden. Auch die Behandlung dieser Erkrankungen durch Strahlen- oder Chemotherapie können den verfrühten Beginn begünstigen.
Periphere verfrühte Pubertät
Bei dieser seltenen Form steckt zumeist ein Tumor, eine andere Anomalie der Nebenniere oder einem unreifen Hoden oder Eierstock dahinter. Die Ausschüttung der Hormone wird nicht durch die Hirnhangdrüse gesteuert, sondern erfolgt direkt durch das erkrankte Organ oder den Tumor. Typisch bei dieser Form ist die Veränderung des Körpers unabhängig vom Geschlecht. So kann es bei Mädchen und bei Jungen zu einem Brustwachstum kommen. Das Wachstum der Körperbehaarung, Akne, starker Körpergeruch sowie das Peniswachstum ohne Vergrößerung der Hoden sind weitere Merkmale dieser Art von Frühpubertät.
Unvollständige Pubertät
Diese Form unterscheidet sich von der normalen Pubertät, da hier nur eine teilweise Veränderung des Körpers auftritt. Entweder beginnt die Schambehaarung frühzeitig zu wachsen oder das Brustwachstum setzt schneller ein, ohne weitere typische Merkmale der Pubertät, wie die einsetzende Menstruation. Der Verlauf der Pubertät ist langwierig und die körperlichen Veränderungen entsprechend verlangsamt. Erkrankungen sind hier nicht der Auslöser. Hier spielt die gesteigerte Produktion von Androgenen durch die Nebennieren die tragende Rolle. Jedoch erfolgt kein Anstieg andere Hormone wie Östrogene und Gonadotropine.
Wie wird die verführte Pubertät diagnostiziert?
Liegt die Vermutung nahe, dass die Pubertät zu früh einsetzt, können verschiedene Diagnostika diesen Verdacht untermauern. In einer umfassenden endokrinologischen Untersuchung wird der Hormonstatus bestimmt. Dies liefert erste Anhaltspunkte für eine sichere Diagnose. Weiter gehören bildgebende Methoden, wie das Röntgen der Handknochen zur Bestimmung des Knochenalters, zu den Verfahren, um eine frühzeitige Pubertät sicher zu erkennen.
Wie wirkt sich die Frühpubertät auf den kindlichen Körper aus?
Kommt der kindliche Körper zu früh in die Pubertät, kann das langfristig zu gesundheitlichen Problemen führen. Bluthochdruck, Herzkreislauferkrankungen oder ein erhöhtes Risiko an Brustkrebs zu erkranken sind nur einige Erkrankungen, die durch den frühzeitigen Einfluss der erhöhten Hormonproduktion begünstigt werden. Neben dem physischen Gesundheitszustand leidet oftmals auch die Psyche unter den Folgen einer verfrühten Pubertät. Der Körper passt nicht mehr zur geistigen Reife. Gerade bei Mädchen kommt es vermehrt zu Essstörungen aufgrund der plötzlichen körperlichen Veränderungen.
Diesen nun fraulichen Körper selbstbewusst zu vertreten fällt schwer. Auch wenn der Körper erwachsen wirkt, hinkt der Kopf noch hinterher. Mit diesem Balanceakt tun sich viele Kinder schwer. Depressionen, mangelndes Selbstbewusstsein und der Rückzug aus der Gesellschaft sind die Folgen.
Ist eine Behandlung notwendig?
Nein, nicht zwingend. Ist eine ausreichende Diagnostik erfolgt und der Grund einer verführten Pubertät gefunden, kann gemeinsam mit dem Arzt über eine entsprechende Therapie nachgedacht werden. Liegen keine ernsten Erkrankungen vor, reicht es meist, die pubertierenden Kinder in diesem Reifeprozess zu begleiten. Medikamentöse Therapien sind nur in Ausnahmefällen nötig. Aufgrund des erhöhten Risikos für Späterkrankungen ist es jedoch ratsam, regelmäßig Blutuntersuchungen durchführen zu lassen und gewissenhaft zu den Krebsvorsorgeuntersuchungen zu gehen.
Wie helfe ich meinem Kind durch die Pubertät?
Eine frühe Pubertät stellt nicht nur das Leben des Kindes auf den Kopf, auch die Eltern haben mit dieser großen Veränderung Schwierigkeiten. Auch wenn diese Lebensphase anstrengend und zermürbend sein kann, ist es wichtig, auf emotionaler Ebene die Kinder und Jugendlichen aufzufangen. Sie fühlen sich zwar jetzt erwachsener und möchten entsprechend behandelt werden, jedoch hängt der Kopf noch oft genug in der Wolke der Kindheit fest. Ruhe, Geduld und Einfühlungsvermögen helfen hier. Im Hormonchaos der Gefühle reicht oftmals ein sicherer Hafen, um die größte Not zu lindern. Auch diese Phase wird vorbeigehen und starke, reflektiere junge Erwachsene hervorbringen.