Die Geschichte der Bahnhofsbuchhandlungen reicht bis ins Jahr 1848 zurück. In diesem Jahr eröffnete W. H. Smith erstmals eine Bahnhofsbuchhandlung in London. Diese basierte auf einem Leihsystem. 1852 wurde die Bahnhofsbuchhandlung „Libraire Hachette“ in Paris eröffnet. In Deutschland wurde 1855 die erste von vielen nachfolgenden Reisebuchhandlung im Heidelberger Bahnhof eröffnet.
Damit war ein Erfolgsmodell geboren. Reisende sollten Zugang zu Lektüre erhalten, die leicht lesbar war. Die Reisezeit im Zug sollte sinnvoll und angenehm verbracht werden. Bis heute spielen Tages- oder Wochenzeitungen und Zeitschriften eine tragende Rolle im Bahnhofsbuchhandel. Wer liest, muss nicht mit ihm unbekannten Menschen kommunizieren. Schon 1905 existierte ein erster Zusammenschluss von deutschen Bahnhofsbuchhändlern.
Wenn einer eine Reise tut – dann soll er lesen
Gelesen wurde anfangs allerdings nur vom Bildungsbürgertum oder von Adligen. Diese Menschen reisten in den geschlossenen Abteilen erster und zweiter Klasse. Die angebotenen Bücher und Magazine in Bahnhofsbuchhandlungen richteten sich folglich nach deren Interessen. Die ärmeren Menschen saßen im Großraumabteil auf Holzbänken. Sie konnten zum Teil nicht gut lesen oder hatten kein Geld, um sich Bücher zu kaufen.
Schnell zeichnete sich ab, dass Zeitschriften die ideale Reiselektüre darstellten. Schon 1866 hatte Hachette in Paris den Zeitschriftenumsatz verdoppelt. Mediziner diskutierten im 19. Jahrhundert, ob das Lesen während einer Bahnfahrt womöglich gesundheitsschädlich für die Augen oder den Geist sei. Dessen ungeachtet war der Zuspruch der Reisenden ungemindert groß. Das bewog auch die besorgte Ärzteschaft, vom Bezweifeln des Gesundheitswertes Abstand zu nehmen.
Welche 5 Zeitungen und Magazine führten 2022 die Verkaufshitliste im Bahnhofsbuchhandel an?
- das Polit-Magazin „Der Spiegel“
- Der Stern
- die BILD-Zeitung
- die Süddeutsche Zeitung
- die Frankfurter Allgemeine
Welche Bücher wurden 2022 am häufigsten gelesen?
- Juli Zeh: Über Menschen
- Sebastian Fitzek: Der Heimweg
- Delia Owens: Der Gesang der Flusskrebse
- Thomas Kehl/ Mona Linke: Das einzige Buch, das Du über Finanzen lesen solltest
- John Strelecky: Wenn du Orangen willst, such nicht im Blaubeerfeld
- Simon Beckett: Die Verlorenen
- Stefanie Stahl: Das Kind in dir muss Heimat finde
- John Strelecky: Das Café am Rande der Welt
- John Grisham: Das Manuskript
- und Jean-Luc Bannalec: Blind Date
Viele der genannten waren Taschenbücher aus den Empfehlungs- und Bestsellerlisten des Spiegel oder der BILD-Zeitung. Aktuellere Zahlen für 2023 liegen noch nicht vor.
Die Rolle der Bahnhofsbuchhandlungen in heutiger Zeit
1846 gab es im Breslauer Bahnhof noch Zeitschriften zu kaufen, die ein fliegender Händler ohne Ladengeschäft anbot. 1854 eröffnete dann in Heidelberg die erste Bahnhofsbuchhandlung mit „Reiseliteralien“. Im Deutschen Reich gab es anno 1871 schon 12 Bahnhofsbuchhandlungen. Um 1900 gab es in 200 deutschen Bahnhöfen Literatur zu kaufen, aber nicht immer in einer Bahnhofsbuchhandlung. Es existierten auch Verkaufswagen, aufklappbare Zeitungs-Stände und Bauchladen-Verkäufer.
Da die Deutsche Bundesbahn etliche Bahnhöfe nicht sanierte oder nicht mehr als Haltepunkt nutzte, endete der Boom zunächst in den Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts. Mit jedem sanierten Bahnhof vergrößerten sich ab den 1990er Jahren auch die Bahnhofsbuchhandlungen. Nur die ganz großen Bahnhofsbuchhandlungen konnten hohe Mieten und einen Rückgang von Bahnkunden verkraften.
Der Markt bereinigte sich in der Folge. Die Ladenöffnungszeiten wurden liberalisiert. Das kam insbesondere den Bahnhofsbuchhandlungen und den Flughafenbuchhandlungen zugute. Mit den reisefreundlichen Taschenbüchern kam ein weiterer Erfolgsgarant in die Regale. Bis heute dominieren Tages- und Wochenzeitungen sowie Magazine zu allen möglichen Themen. Mittlerweile laufen Smartphone-kompatible E-Books oder Literatur, die auf E-Readern wie Tolino gelesen wird, den Taschenbüchern den Rang ab.
Was hat den Erfolg der Bahnhofsbuchhandlungen begünstigt?
In Bahnhöfen ist immer etwas los. Reisende kommen und gehen. Kinogänger essen im Bahnhof einen Happen, bevor sie die Heimreise mit der S- oder Regionalbahn antreten. Bahnhofsbuchhandlungen sind an 365 Tagen geöffnet, an vielen Tagen bis in den späten Abend. Die derzeit 480 Bahnhofsbuchhandlungen verkaufen morgens die Tageszeitungen an Pendler. Bis zum Abend bieten sieh leichte Lese-Kost für längere Fahrten. Das Sortiment ist bedürfnisgerecht.
Neben tagesaktuellen Zeitungen und beliebten Zeitschriften werden auch Special-Interest-Magazine, aktuelle Bestseller in Taschenbuch- oder Hardcover-Format und Reisebücher angeboten. Die Auswahl ist riesig, außerdem mehrsprachig. Heute wird jedes neunte Magazin über eine Bahnhofsbuchhandlung abgesetzt. Anders als alle anderen Buchhändler, beziehen Bahnhofsbuchhandlungen ihre Bücher und Zeitschriften dank einer Ausnahmeregelung direkt beim Verlag und nicht über die üblichen Grossisten.
Zeitschriften und Magazine machen oft mehr als 50 Prozent des gesamten Sortiments aus. Mit Presseerzeugnissen erzielen die Bahnhofsbuchhändler den größten Umsatz. An diesem sind sie mit zehn Prozent beteiligt. Einer der Großen unter den Bahnhofsbuchhändlern ist Stilke. Der Buchmarkt betreibt heutzutage fast genauso viele Verkaufsstellen in Bahnhöfen. Die 495 Verlaufsstellen verteilten sich 2009 auf 366 Standorte. Damals gab es noch 37 Firmen, die diese Buchhandlungen betrieben. Heute sind es noch maximal 20.